Werte, über die Statuten hinaus
Bemerkenswert deshalb, weil der geschäftliche Erfolg aus klaren Wertvorstellungen erwachsen sollte. Das gilt bis heute! Unsere bald 100-jährige Nachhaltigkeit beinhaltete zuerst die soziale Gerechtigkeit, später zusätzlich die Umweltverträglichkeit und seit 2020, gestalterische Zielsetzungen.
Zweckartikel
§ 2 Die Genossenschaft bezweckt, Wertschöpfung in die Region zu bringen und dadurch die traditionellen Belange des Heimatwerks und dessen wirtschaftlichen Fortbestand nachhaltig sicherzustellen. Durch:
a) Produktion, insbesondere im textilen Bereich, wie Hand-Weberei, Näherei und Trachten-Schneidereib) Vertrieb und Vermittlung, hauptsächlich von Kunsthandwerk
c) Pflege von Tradition und Gestaltung, im Geiste der Schweizer Heimatwerke und des
Schweizerischen Werkbunds.
Kommentar
Während 70 Jahren hiess das Unternehmen «Genossenschaft zur Förderung der Heimarbeit im Zürcher Oberland». Ab dem Beitritt zur Vereinigung Heimatwerke der Schweiz, 1995, verzichtete man auf die Nennung der eigenständigen, genossenschaftlichen Identität, zu Gunsten der kollektiven Heimatwerk-Zugehörigkeit. Rechtlich im Hintergrund immer eine Genossenschaft geblieben, wurde der Begriff 2016 kommunikativ wieder aufgenommen und seither, wie früher, nach aussen getragen.
Kommentar: Heute verbinden wir mit «Genossenschaft» eine Haltung und weniger die ursprünglich breit abgestützte Organisationsform. Die Anforderung einer kostenoptimierten, wirtschaftlichen Tätigkeit, in einem dynamisch und global geprägten Marktumfeld, würde im Widerspruch dazu stehen. Dennoch – mit der Nennung wollen wir klar zum Ausdruck bringen, dass uns die Nachhaltigkeit im Handeln wichtig geblieben ist. In Respekt vor der eigenen Geschichte, in der Verantwortung gegenüber der Nachfolge und im Willen mit dem erfolgreich zu sein, womit wir über Generationen hinweg, Werte schaffen.
Ziel der 1928 gegründeten Genossenschaft war die Förderung der Heimarbeit, vor allem im textilen Bereich. Diese prägte die Region damals schon über Generationen[i]. Seit jeher problematisch in der Heimarbeit, war die Frage des Vertriebs. Wer hatte den Marktzugang und wer strich die Gewinne ein? Um die Antwort nicht den dominierenden Mittelsleuten (Verleger und Fergger) zu überlassen, organisierte man sich selbst. Zeitgleich wurden schweizweit etliche solcher Gemeinschaften gegründet, im Verbund der «Heimindustrie». Deren Vertrieb übernahm u.a. ab 1930 das Schweizerische Heimatwerk in Zürich[ii]. Vielfach in Heimarbeit gefertigte Souvenir-Artikel, Kunsthandwerk, Trachten und auch Textilien aus dem Zürcher Oberland. 1994 vereinigten sich die lokalen Gemeinschaften zur Vereinigung Heimatwerke der Schweiz mit gemeinsamer Namensgebung und Auftritt. 2004 scheiterte die koordinierte Tätigkeit und der Verbund löste sich auf. Es blieben bis heute, schweizweit, nebst dem Schweizerischen Heimatwerk, 6 kleinere, eigenständige Heimatwerke, mit gemeinsamen Namen und der Passion, Kunsthandwerk zu vertreiben.
Kommentar: Seit Beginn der 30-er Jahre, hiess im Volksmund der Laden in Bauma «Heimatwerk»[iii]. 1935 trat man der Genossenschaft Schweizer Heimatwerk bei. Der Name wird fortan als Bezugsquelle eigener Erzeugnisse auf Drucksachen verwendet[iv]. Es entwickelte sich eine enge Verbindung zwischen den beiden Institutionen[v], die weiterhin eigenständig agieren. Dennoch blieb es unsererseits über 70 Jahre beim Namen: Genossenschaft zur Förderung der Heimarbeit im Zürcher Oberland. Erst mit dem Beitritt zur Vereinigung Heimatwerke Schweiz, 1995, übernimmt man diese Identität offiziell und wird zum 29 Heimatwerk der Schweiz[vi]. In der Tradition der Heimarbeit stehend und sowohl dem Kunsthandwerk, wie auch dem Trachtenwesen verpflichtet, erfüllt uns diese Bezeichnung noch heute, mit grossem Stolz.
[i] Spoerry, Heinrich: Die Industrie im Zürcher Oberland, in: Der Freisinnige Blatt 4 (1952), S. 3
[ii] Hürlimann, Theodor: Chronik 25 Jahre Handweberei Zürcher Oberland, Bauma 1953, S. 12
[iii] Lang, Jos.: Die Heimarbeit im Tösstale, in: Bericht zur Lage der regionalen Heimindustrie, 8.9.1934, S. 5
[iv] Werbeprospekt, Archiv Heimatwerk ZO, 1940, S. 4
[v] Laur, Ernst: Emilie Bruhin-Rüegg, in: Das Heimatwerk 3/4 (1944), S. 63
[vi] O.A.: Von der Handweberei zum Heimatwerk, in: Der Zürcher Oberländer, 13.3.1995, S. 13
Bei der Gründung der Genossenschaft, 1928, war die Hausweberei nur eine Massnahme unter mehreren, um die Heimarbeit zu fördern. Bereits 1941 wurde das Textile zum Kerngeschäft[i]. Nebst der Stoffproduktion, forcierte man mit einer Näherei, die Herstellung von eigenen Produkten[ii]. Um sich vor der aufkommenden Konkurrenz zu schützen[iii] und sich gleichzeitig noch besser zu positionieren, entschied man 1947, die Ergänzung „Handweberei“ in die Namensgebung aufzunehmen[iv]. Bis 2000 war die Textilproduktion die Haupteinnahmequelle des Unternehmens. Danach dominierte der Vertrieb von Kunsthandwerk, womit die Handweberei wirtschaftlich bedeutungslos wurde. Seit 2014 ist die textile Produktion wieder das Kerngeschäft und die Handweberei der identitätsgebende Teil davon.
Kommentar: 2020 wird die Bezeichnung «Handweberei» offiziell im Handelsregister eingetragen. Die Genossenschaft ehrt damit die zahlreichen Heimarbeiter/-innen, der über 90-jährigen Geschichte und akzentuiert die textile Tätigkeit in der Wahrnehmung. Gleichzeitig stellt sie dem heute mit reinem Handel in Verbindung gebrachten Begriff «Heimatwerk» eine klar produktionsbezogene Ausrichtung gegenüber. Das typografische Zeichen „&“ (et) verbindet die beiden Begriffe, unter optischer Abstandswahrung. Die Gemeinschaft von Heimatwerk und Handweberei kann dadurch auch als Verbindung zweier eigenständig agierender Betriebe gelesen werden.
[i] Statutenänderung GHHZO 1941, § 2a
[ii] Bruhin, Emilie: Geschäftsbericht 1 (1929), GHHZO, Bauma, Seite 1
[iii] Protokoll Sitzung Vorstand GHHZO, vom 25.10.1947, S. 3
[iv] Verfügung der Finanzdirektion des Kantons Zürich, vom 25.05.1954, S. 1
Die Nennung der geografischen Zuordnung «Zürcher Oberland» bildet eine Konstante im Auftritt der Genossenschaft. Denn die Förderung der Heimarbeit war an einen definierten Perimeter gebunden, um die Aufgabe auch distanzmässig bewältigen zu können. Selbstbewusst wählte man damals ein Gebiet über das Tösstal hinaus und doch mit Bezug auf die Kantonszugehörigkeit. Bemerkenswert deshalb, weil Thurgau und St. Gallen näher bei Bauma liegen, als z.B. Uster. Zudem bezeichnet sich die hiesige Bevölkerung klar als Tösstaler/-innen. Es ist daher davon auszugehen, dass schon damals übergeordnete Erwägungen zur gewählten geografischen Zugehörigkeit geführt haben. 1995, beim Eintritt in die Vereinigung Heimatwerke Schweiz, wurde das Unternehmen zum «Heimatwerk Bauma» und so auch im Handelsregister eingetragen. Bereits 2003 änderte man diesen Namen wieder und das Heimatwerk kehrte zum „Züri Oberland“ zurück!
Kommentar: Würde man heute die geografische Zugehörigkeit neu wählen, läge «Zürcher Heimatwerk» auf der Hand. In der Meinung die Kantonszugehörigkeit zu nennen, entstünde jedoch unweigerlich eine Verwechslung mit dem Schweizerischen Heimatwerk, ebenfalls in Zürich ansässig. Deshalb schätzen wir den Zusatz „Zürcher Oberland“, der das Textile, Traditionelles, Trachten oder auch Souvenir-Artikel durchaus glaubwürdig verortet. Im Wissen darum, dass eine «Zürcher» Zugehörigkeit in vielen anderen Kantonen mit Vorbehalt aufgenommen wird, bricht der Zusatz «Oberland» damit. Das Ländliche, unmittelbar vor den Toren Zürichs, versöhnt und macht es für viele nahbar. Selbst in der urbanen Metropole Zürich, wird dies als charmanter Pluspunkt gewertet.
Bis 2001 lag der primäre Zweck der Genossenschaft darin, «den Bergbewohnern Heimarbeit zu verschaffen»[i]. Man verstand sich als «Zentrale»[ii], von der aus die Beschaffung, die Planung und der Vertrieb ausgingen. Je erschlossener die Region wurde und sich der Markt öffnete, umso wichtiger wurde die eigene Vermarktung. Der ursprüngliche Produktionsbetrieb wandelte sich so, bis 2013, zum reinen Laden für kunsthandwerkliche Fremdprodukte. Ein beträchtlicher Teil des Ertrages fiel damit ausserhalb der Region an. Seit 2014 wird wieder selbst produziert und damit regionale Wertschöpfung generiert.
Kommentar: Regionale Wertschöpfung misst den Ertrag für ein Gebiet, über die betrieblichen Erfolge hinaus[iii]. Damit bezeichnet dieses Wort in idealer Weise den Sinn unsers Tuns. Denn die Betrachtung gilt der Wertschöpfungskette insgesamt und dem Zusammenspiel mehrerer Akteure. Wir sehen uns als Teil einer gebietsbezogenen Werk-Gemeinschaft. Früher auf das Zürcher Oberland beschränkt, heute schweizweit bis europäisch. Was im Widerspruch zum Regionalen zu stehen scheint, muss mittlerweile als Voraussetzung akzeptiert werden, um überhaupt lokal produzieren zu können. Denn der Anspruch einer alpenländischen Provenienz, beispielsweise von Rohwaren, ist heute schon hoch. Dennoch ist es unser Ziel, die Wertschöpfung möglichst nahe zu halten und weiterhin Fertigungsschritte in Heimarbeit zu vergeben. Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Trachtenschneiderei.
[i] Statuten GHHZO 1929 / 1941 / 1983, § 2
[ii] O.A.: Von der Handweberei im Zürcher Oberland, in: Meyers – Schweizer Frauen und Modeblatt, 18.11.1942, Index 1507
[iii] Scherer, Roland: Regionalisierungsbericht Universität St. Gallen 2016/17, St. Gallen 2019, Glossar „Regionale Wertschöpfung“
«Heimat-Werk» ist eine Wortschöpfung aus einer Deutschen Zeitschriften-Rubrik um 1907[i]. Die Ursprünge der Bewegung liegen in Skandinavien und reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Im Zentrum standen die Haus- bzw. Heimarbeit als bewahrenswertes Kulturgut[ii]. In der Schweiz begannen um 1925 erste Bestrebungen, neue Absatzmöglichkeiten für bäuerliche Volkskunst zu erschliessen. Es entstanden Verkaufsstellen in St. Gallen und Winterthur. 1930 wurde im Auftrag des Bundesrates das Schweizer Heimatwerk gegründet. Seine Aufgabe war u.a., «eine dem Bergvolk lehrbare Handwerks- und Heimatkultur hervorzubringen»[iii]. Es wurde zur wichtigsten Mittlerin der Heimarbeit. Insbesondere Dr. Ernst Laur und seiner Frau Agnes Laur-Bösch, die das Unternehmen über Jahrzehnte leiteten und prägten, übernahmen eine Pionierrolle. Sie beeinflussten die ländlich hergestellten Erzeugnisse so, dass sie im städtischen Kontext Absatz fanden[iv]. Heute die klassische Rolle des Marketing. Damals das Ergebnis einer engen Beziehungspflege zu den Herstellenden und gleichzeitig dem Gespür für die Bedürfnisse des Absatzmarktes. Beispielsweise eröffneten sie bereits 1952/53 eine Filiale im Flughafen Zürich Kloten, die den Reisenden authentische Souvenirs aus der Schweiz anbot und auf diesem Weg selbstverständlich für die ganze Schweiz warb[v].
Kommentar: In unseren Statuten wird die erfolgreiche, wirtschaftliche Tätigkeit als Voraussetzung gewertet, um die traditionellen Belange des Heimatwerks sicherzustellen. Was nach einer rein monetären Angelegenheit tönt, beinhaltet die Überzeugung, dass Traditionen nur überleben, wenn sie sich wandeln. Anklang und Absatz findet nur, was einem zeitgemässen Bedürfnis entspricht. Somit muss sich das Heimatwerk seit jeher zwischen bewahren und erneuern bewegen[vi]. Entsprechend setzen wir unser Traditionsbewusstsein nicht mit Konservieren gleich und die Heimat nicht mit Grenzen. Vielmehr wollen wir einfach Dinge schaffen, die Herkunft haben und eine eigenständige Identität ausstrahlen. Fern von Ideologie und übersteigertem Patriotismus.
[i] Köhl, Hans: Zur Historie von Heimatwerk in Europa, in: www.heimatwerk.at/de/heimatwerk-geschichte (Zugriff am 26.06. 2020)
[ii] Wie Anm. 14
[iii] Wie Anm. 14
[iv] Farner-Hasler, Agnes: Zum Rücktritt von Agnes Laur, in: Das Heimatwerk 1 (1966), S. 29
[v] Thürer, Georg: Gedenkschrift für Dr. Dr. h.c. Ernst Laur, in: Heimatschutz-Patrimoine 64 (1969), S. 12
[vi] Wie Anm. 3, S. 3
Die Genossenschaft hat seit 1928 zum Ziel, Arbeit in die Region zu holen. Das reichte anfänglich bis zur Korbflechterei und Holzkellen, konzentrierte sich jedoch bald auf das Textile[i]. Ausgehend von der Heim- bzw. Handweberei, entstanden Stoffe und daraus Produkte, wie Haushaltschürzen. Parallel dazu war das Heimatwerk seit jeher massgebend mit dem Trachtenwesen verbunden. Deshalb kann man heute auf eine bald 100-jährige Kompetenz von der Gewebeherstellung bis zur Masskonfektion zurückblicken.
Kommentar: Eigentlich müsste man dem nichts mehr hinzufügen, da wir noch immer das Gleiche tun und dies mit den meist gleichen Mitteln und Maschinen wie damals! Doch gerade weil wir dies noch immer tun, bedarf es heute eines Kommentars. Bereits der Wille zur textilen Produktion im Zürcher Oberland, steht quer zur Zeit. Zumindest aus ökonomischer Sicht. Unsere Ur-Reaktion darauf: Bescheidenheit und tiefe Fixkosten. Doch wer das Wort «Werk» im Namen trägt, der soll auch etwas hervorbringen! Und genau das tun wir mit Freude und Passion. Deshalb stellen wir Stoffe her (hand- und mechanisch gewebt), fertigen Serien von einfachen Textilwaren und widmen uns umfangreich den Trachten. Dort gilt unser Interesse nicht nur der traditionell, überlieferten Schneiderei, sondern auch der Frage, wie sich diese geschichtsbezogen modernisieren lässt.
[i] O.A.: Die Heimarbeit im Zürcher Oberland, ein: Erfahrungsbericht an Gottlieb Duttweiler, 1941, S.2
Erstmals 1983, 55 Jahre nach der Gründung, taucht in den Statuten die zaghafte Formulierung auf, dass «im Laden Waren zum Kaufe angeboten werden»[i]. Vorher fertigte man, vorwiegend auf Bestellung oder überliess den Vertrieb Zwischenhändlern[ii]. Mit diesem Schritt, hin zur eigenen, aktiven Vermarktung, bedurfte es einer neuen Kompetenz: Der Vermittlung. Ganz in der Tradition der Heimatwerke, wurde der Kundschaft Herkunft und Entstehung der Waren nähergebracht. Man erzählte die Geschichte, führte vor und begeisterte damit. Bald schon waren das Hintergrundwissen und die didaktischen Fähigkeiten, über die Produkte hinaus, gefragt. Ein eigenes Kurswesen entstand. Mit dem Beitritt zur Vereinigung Heimatwerke der Schweiz, 1995, wandelte sich der Produktionsbetrieb vollends zum Verkaufsladen mit Wechselausstellungen. Die Vermittlung von Kunsthandwerk Dritter, stand bis 2014 im Zentrum der Tätigkeit und bestimmte das damalige Selbstverständnis als «Kulturort der besonderen ART».
Kommentar: 2014, unter neuer Führung, wurde entschieden, wieder selber zu produzieren. Weg vom Besonderen, hin zur Einfachheit. Handwerk, ohne Kunst und aufgeregter Kreativität. Unverändert wichtig, blieb dabei die Vermittlung. Heute ist sie das zentrale Element unserer Vermarktung. Über die Kommunikation hinaus, findet Vermittlung bei uns auch angewandt statt, beispielsweise bei Kommissionswaren. Seien es Produkte von regionalen Kunsthandwerkern/-innen, denen wir hier Ausstellungsfläche anbieten oder Occasionstrachten, für die wir ein neues Zuhause suchen. Didaktisch vermittelnd, bieten wir Betriebsführungen an und betreiben ein Kurszentrum für Gewebe- und textile Gestaltung.
[i] Statuten GHHZO 1983, § 1, Absatz 2c
[ii] Wie Anm. 3, S. 3
Die Darstellung «angewandter Erzeugnisse des Kunstgewerbes» an der ersten Weltausstellung in London, 1851, traf den Nerv der Zeit[i]. In der Absicht der unaufhaltsamen Industrialisierung entgegenzutreten, entstanden zahlreiche Kunstgewerbeschulen und später (Kunst-)Gewerbemuseen. Ihr Ziel war, mittels bewusster Gestaltung den Wert von handwerklicher Arbeit aufzuwerten[ii]. Entscheidenden Einfluss hatte dabei, Ende des 19. Jahrhunderts, das „Arts and Crafts Movement“ aus England[iii]. Die Einzigartigkeit des Werks und damit das Unikat, rückten in den Vordergrund. In der Schweiz hatte diese Form des Kunsthandwerks 1914, anlässlich der Landesausstellung in Bern, ihren ersten grossen Auftritt. Trachten und ländliche Motive sollten, kurz vor dem ersten Weltkrieg, das damalige Bild der Schweiz vereinend prägen[iv]. Das „Werk“ wurde symbolisch und stand für etwas. Eine praktische Eigenschaft, die bereits im frühen Tourismus[v] und bei der Gestaltung früher Souvenirs angewandt wurde, um die Schweiz, in der Erinnerung, schöner zu halten. Zur Einflussnahme, welche Werte dabei vermittelt werden sollen, wurde 1915 vom Schweizer Heimatschutz eine Genossenschaft gegründet, die den Verkauf von „echt schweizerischen Reiseandenken“ zum Ziel hatte[vi]. 1930 wurden deren Aktivitäten in das Schweizer Heimatwerk überführt, welches noch heute heimisches Kunsthandwerk fördert[vii].
Kommentar: Mit der Fokussierung auf den kunsthandwerklichen Bereich, stehen wir in der Tradition der Heimatwerke. Wir entsprechen damit dem weitverbreitet, positiven Image in der Bevölkerung, verbunden mit Erinnerungen über Generationen. Diesen hohen Erwartungen, wie auch den eigenen, im Zusammenhang mit Kunsthandwerk gerecht zu werden, ist eine Herausforderung. Sie lautet: Von Schweizer Qualität leben zu können! Das bedeutet für uns 3 Dinge: Fair und genügend Ertrag zu erzielen; Glück zu haben, wenn das in der Schweiz zu haben ist und dabei nicht im Kitsch zu landen. Denn gängiges Kunsthandwerk ist weit häufiger näher beim Wunsch nach Kunst, als bei gekonntem Handwerk. Deshalb werten wir es als Kunst, einfach gutes Handwerk anzubieten, das bezahlbar ist. Die eigene Anforderung? Ob bei Fremdprodukten, dem eigenen Schaffen oder im Kurswesen: Auch Gestaltung ist Handwerk!
[i] Krebs, Werner: Das Schweizerische Kunstgewerbe an der Schweiz. Landesausstellung, in: Die Schweiz, Band 18 (1914), S. 371
[ii] Bill, Max: Die gute Form in der Schweiz, in: Funktion und Funktionalismus, Bern 2008, S.31
[iii] Droste, Magdalena: Zur Vorgeschichte des Bauhauses, in: Bauhaus 1919-1933 (1990), S. 10
[iv] Wie Anm. 23, S. 372
[v] Seitz, Gabriele: Aus der Frühzeit des Alpentourismus, in: Wo Europa den Himmel berührt, München 1987, S.152
[vi] Bundi, Madlaina: 1915, Zielverwandte Organisationen, in: Chronik 100 Jahre Schweizer Heimatschutz, Zürich 2004, S. 23
[vii] Zweckartikel der Schweizer Heimatwerk Genossenschaft, Handelsregisteramt des Kantons Zürich, Eintragung 28.05.2002
Ab 1994 vereinten sich die damals rund 30 Heimatwerke der Schweiz. Ihr Ziel war es mit dem Zusammenschluss, Synergien zu nutzen und mit gemeinsamem Auftritt, die Position am Markt zu stärken. Anlass dazu bot u.a. das aufkommende Internet. Als Reaktion darauf entschied man sich zu noch besserem Service und einheitlichen (VHWS-) Richtlinien beim Warenangebot. „In der Schweiz hergestellt“ war 1995 die zentrale Forderung. 1998 wurde dieser Standard auf „Herkunft Schweiz“ abgeschwächt und die Möglichkeit zu Eigenmarken gegeben. Angedacht waren Exklusivserien, unter dem Label «Heimatwerk»[i]. Ambitioniert und klug von Schweizer Heimatwerk initiiert, scheiterte das Unterfangen 2004, an den Gegebenheiten des Marktes und am Unvermögen der Mitwirkenden – mitunter an uns.
Kommentar: Unsere heutigen Statuten nennen nebst Ziel und Weg, einen Qualitätsanspruch: „Pflege von Tradition und Gestaltung“. Kritisch betrachtet ist das wenig präzis und bedarf einer Lesung zwischen den Zeilen. Absichtlich, denn Qualität ist subjektiv und zeitbezogen. „Pflege“ beispielsweise assoziiert sowohl Fürsorge und Bewahrung, aber auch aktives Handeln. Diesem Anspruch zu folgen bedeutet in unserem Alltag, der Geschichte auf den Grund zu gehen, um daraus Neues hervorzubringen. Wir ordnen unser Schaffen bewusst in Gegebenes ein, das Richtung gibt und Traditionen aufzeigt. In diesem Zusammenhang sind es nebst den historischen Belangen der Heimatwerk-Bewegung, die VHWS-Richtlinien von 1998, die uns leiten. Auch heute noch zeitgemässe Forderungen nach Herkunft, Umgang und Nachhaltigkeit.
[i] VHWS Richtlinien: Heimatwerke der Schweiz, Überarbeitung vom 2. April 1998, Position 2.1
1913 wird in Zürich der Schweizerische Werkbund (SWB) gegründet. Er geht aus Reformbestrebungen zur Produktkultur hervor, die um die Jahrhundertwende entstehen und sich auf das englische «Arts and Crafts Movement» beziehen[i]. Diese Wurzeln und der Wunsch nach heimischem Schaffen[ii], verbinden ihn mit dem späteren Heimatwerk. Zu den Begriffen Kunst und Handwerk, kommt beim SWB noch die Industrie dazu[iii]. Es ist eine Vereinigung, die sich der gewerblichen Gestaltung widmet. Dadurch stand der Werkbund in enger Beziehung zum Bauhaus. Wie dieses, veränderte er ab 1927 seine Ausrichtung, weg von der handwerklichen Produktion und vom individuellen Kunstgewerbe, hin zur seriellen Fertigung[iv]. Dennoch blieben Gemeinsamkeiten zum Heimatwerk, wie das Projekt «Bel Ricordo» mit dem Ziel „guter Reiseandenken“, ab 1941[v]. Breitere Bekanntheit erlangte der SWB über die Auszeichnung «Die gute Form» in den 1950er/60er Jahren, die auch im Bereich Textilien und Handwebereien vergeben wurde.
Kommentar: Die Belange von Heimatwerk und Werkbund in Verbindung zu bringen ist naheliegend und gleichzeitig verwegen. Das Gemeinsame liegt im «Werk». Dem Willen, etwas Konkretes zu schaffen, mit Haltung und Werten. Verwegen deshalb, weil dieser gemeinsame Inhalt, formal zu gänzlich unterschiedlichen Resultaten geführt hat. Lange Zeit standen sich der Wunsch nach nationaler Romantik[vi] bzw. Heimatstil[vii] und das Streben nach klassischer Moderne[viii] kontrovers gegenüber. Heute liegt uns das pittoresk Bodenständige fern. Nicht aber ein formaler Ausdruck, der sich einordnet und an Schweizer Traditionen erinnert. Zu diesen zählen wir die Volkskunst und das Brauchtum genauso, wie die konkrete Kunst und eine Kultur der „guten Form“[ix]. Konsistent vom Produkt bis zur Grafik, präzis, angewandt und mit Bestand.
[i] Wie Anm. 25
[ii] Bloesch, Hans: Einführungstext, in: Werk 1 (1914), S. 1-2
[iii] Satzung SWB 1913, § 2
[iv] Schmidt, Hans: Die Aufgaben des Schweizerischen Werkbundes, in: Das Werk 8 (1927), S. 227
[v] Laur, Ernst: Bel Ricordo, in: Das Heimatwerk 2 (1944), S. 15
[vi] Rüegg, Arthur :Von der Utopie zum konkreten Fall, in: Schweizer Möbel und Interieurs im 20. Jahrhundert, Basel 2002; S. 108
[vii] Laur, Ernst: Jahresbericht der Genossenschaft Schweizer Heimatwerk 1943, in: Das Heimatwerk 2 (1944), S. 35
[viii] Fischli, Melchior: Kontroverse um den Heimatstil, in: 100 Jahre Schweizerischer Werkbund, Zürich 2013, S. 366
[ix] Erni, Peter, in: Die gute Form, Baden 1983